Texte

Die folgenden "historischen" Zitate aus Steine sprechen stammen aus einer Auswahl, die Martin Kupf und Robert Schediwy erstellt haben.

1962:
Zum Abbruch der Sterngassenhäuser

"Werden die Forderungen der Gegenwart mißachtet, so erstarrt und erstickt eine Stadt. Wird aber ihre einmal geprägte Form vernichtet, so verliert sie ihren Charakter, verliert sie ihre Persönlichkeit…"
"Freilich, wir haben ein Denkmal gesetzt; aber es erweist sich nur allzu oft als völlig unwirksam. Wir haben ein äußerst rühriges Bundesdenkmalamt; aber seine Möglichkeiten, wirkungsvoll einzugreifen, sind häufig nur allzu beschränkt…"
"Überdies ist das Bundesdenkmalamt eine an Weisungen gebundene Behörde … und Ministerien sind, wie jederman weiß, bisweilen höchst eigentümlichen Einflüssen zugänglich."

Ernst H. Buschbeck: Eine Bestandaufnahme, (Steine sprechen, 1962,H.1, S.1f)

"Die Sterngassen-Häuser (Nr.5 u. 7) sind geradezu zum Kennwort für den ganzen Jammer unserer Stadtbildpflege geworden und ein Musterbeispiel dafür ,"wie es gemacht wird"…Natürlich standen sie unter Denkmalschutz. Trotzdem wurde aber im Jahre 1956 der Verbauungsplan für diese Stelle so abgeändert, daß ihm die beiden Häuser zum Opfer hätten fallen müssen. Sofort einsetzende Bemühungen des Bundesdenkmalamtes diesen Vorgang rückgängig zu machen, blieben erfolglos… Bauverhandlungen über einen Neubau in der Sterngasse wurden geführt, ohne daß überhaupt um die Genehmigung zum Abbruch der beiden Häuser angesucht worden wäre… Mitte Oktober ließ der Eigentümer – man denke, bei einem unter Denkmalschutz stehenden Objekt! die Dachflächen abdecken… eine vom Denkmalamt sofort erstattete Strafanzeige bewirkte drei Monate später(!) eine Bestrafung des schuldtragenden Eigentümers mit, sage und schreibe 8800 Schilling… eine reine Lapalie, die lachend aus der Westentasche bezahlt wird."

E.H.B (Erhard H. Buschbeck): Die Sterngassenhäuser im Abbruch,(Steine sprechen 1962,H.1, S.2f)

1965:
Zum Abriss der Florianikirche

Florianikirche vor 1939 Florianikirche, Wien 5, vor 1939, Foto: Quelle Wikipedia commons

"Mit Ende Oktober 1965 ist die letzte, inmitten einer Ausfallstraße Wiens … erbaute Pfarrkirche … aus dem altvertrauten Blickfeld unserer Stadt verschwunden ….-Franz Theodor Czsokor erinnert … daran, daß eine solche Kirche … auch auf der Landstraßer Hauptstraße gegenüber der Rochuskirche stand (demoliert 1784)… Gilbert Schuchter vom Mozarteum Salzburg (hat Kardinal Dr. Franz König anläßlich seines Besuches in Salzburg persönlich den Vorschlag unterbreitet, dieser Kirche durch Widmung für die Opfer des Verkehrs eine neue sinnreiche Bestimmung zu geben"

Eduard Michelitsch: Das Schicksal der Florianikirche, ein Symptom unserer Zeit. (steine sprechen, Oktober 1965, Sondernummer S.2ff,S.5)

1968:
Zum Abriss der Otto Wagner Stadtbahnstation Meidling Hauptstraße

"Alle Proteste und Aufrufe nützten nichts. Die Stadtbahnstation, erbaut von einem der berühmtesten österreichischen Architekten, Otto Wagner, wurde von der Stadtverwaltung im August 1968 geschleift"

Otto Swoboda, Bildunterschrift (Steine sprechen 1968, H.23-24, S.3)

"Warum man ausgerechnet die Wiener Innenstadt und die umliegenden alten Vorstädte umkrempeln und entstellen muß, anstatt … einfach daneben einen gänzlich neuen mit allen Erkenntnissen der heutigen Urbanistik sowie Verkehrstechnik ausgestatteten modernen Stadtteil zu errichten ist einfach unbegreiflich."

Otto Swoboda: Quo vadis Wien (Steine sprechen, 1968, H.23-24, S.3)

1980:
Zur Frage der Straßenmöblierung

"Während man in Weltstädten wie Rom und Paris in bemerkenswerter Voraussicht auf die spätere Wertschätzung des fin de siecle schon früh die Gaslaternen elektrifizierte und die Bogenlampen auf Glühbirnenbetrieb umgestellt stehen ließ, wurde in Wien von dieser Möglichkeit nur wenig Gebrauch gemacht. Stattdessen wurde hier das Material verschrottet oder verkauft."
… Straßenmöblierung - ein jahrzehntelang vernachlässigter Faktor der Stadtbildgestaltung

ungezeichneter Hinweis auf eine Studie von Martin Kupf Straßenmöblierung (Steine sprechen, 1980, H.62-63, S.3)

1989:
Zwei Entscheidungen gegen den Historismus

"Bei zwei viel diskutierten Architekturwettbewerben der letzten Zeit wurden von den Juroren Entscheidungen gefällt, die von Denkmalpflegern und Kunsthistorikern zumindest als problematisch bezeichnet werden … Die Jury der Konkurrenz für den Umbau des Ronacher hat den avantgardistischen Entwurf der Gestaltergruppe "Coop Himmelblau … mit dem ersten Preis bedacht und auch zur definitiven Planung empfohlen – einen Entwurf, dessen bizarrer Dachaufbau die Silhouette und das gesamte Erscheinungsbild des historistischen Theatergebäudes von Fellner & Helmer radikal verändern würde …

Gering geschätzt wurde Bausubstanz aus dem Historismus auch von der internationalen Jury des Wettbewerbes zur Neugestaltung der ehemaligen k.u.k. Hofstallungen("Messepalast") zu einem Museumszentrum."

2007:
Zum 60jährigen Bestand der Gesellschaft

"Heute ist die besorgte Aufmerksamkeit auf Veränderungen des Stadtbildes eine berechtigte Antwort auf die wirtschaftlichen, technologischen und politischen Veränderungen, die Globalisierung und Urbanisierung der Welt beschert haben."

Eduard F. Sekler.: Stadtbildveränderungen und Baukultur (Steine sprechen 2007, H.134, S.5f)

"Es steht fest, dass die italienische Denkmalpflege … wesentliche Voraussetzung der Charta (von Venedig, 1964) war … Die große Veränderung (gegenüber der Charta von Athen, 1931) war, dass das Denkmal seit der Charta von Venedig einen viel umfassenderen Begriff angenommen hat"

Gertrude Tripp und die Charta von Venedig (Interview mit Daniele Karász, Steine sprechen. 2007, H.134, S.10ff)

"Wir alle sind gegen Rekonstruktion … Aber nehmen Sie zum Beispiel die Dresdner Frauenkirche … Ich würde diesen Wiederaufbau nicht unter dem Titel Denkmalpflege behandeln - Ich würde sagen, dass es um den Wunsch der Bevölkerung nach der Wiedererstehung ihres wichtigsten Baudenkmals geht".

Gertrude Tripp, (Steine sprechen 2007,H.134, S.11)

"Zahlreiche Fallbeispiele lassen überdeutlich erkennen, dass die Gegenwart mit geradezu kaufmännischer Härte die vorhandenen Kulturgüter auf ihre kulturpolitische Relevanz und ihre ökonomisch-monetäre Funktion hin evaluiert."

Werner Kitlitschka: Kulturgüter heute – Kulturgüter morgen, (Steine sprechen, 2007, H.134, S.13)